Der Weg ist das Ziel - Lösen Sie sich von der Orgasmusfixierung

Es gibt eine weitverbreitete aber dennoch irrige Annahme, die Paare daran hindert, ihr Liebesleben wirklich rundum zu genießen: der Geschlechtsverkehr sei dafür da, einen Orgasmus herbei zu führen - er diene also lediglich als Weg zum Höhepunkt.

Klar sind Höhepunkte beim Sex klasse, vor allem, wenn beide einen erreichen. Aber wer dies als das einzige Bestreben des Liebeslebens sieht, reduziert die Großartigkeit des intimen Beisammenseins auf eine rein körperliche Funktion und schafft noch dazu eine Menge an Erwartungen, Sorgen und Leistungsdruck: Was ist, wenn "er" heute nicht steht oder wenn ich zu früh komme? Wenn ich heute nicht zum Höhepunkt komme, soll ich ihn dann vortäuschen, um meinen Mann nicht zu verletzen? Bin ich zu schnell oder zu langsam? Berühre ich ihn oder sie richtig, damit er oder sie zum Orgasmus kommen kann?

Das, was die Liebe ausmacht
Lösen Sie sich von den Gedanken und Erwartungen, die Sex mit Orgasmen gleichsetzen. Der Liebesakt ist dafür da, gemeinsam intensivste Wonnen zu erleben, sicht wohl zu fühlen, sich Berührungen und Zärtlichkeiten hinzugeben, Körperkontakt und Nähe zu spüren, Lust und Intimität zu erleben, Grenzen aufzulösen, sich begehrt und lebendiger zu fühlen, seine eigene Begierde zu zeigen und auszuleben. Was Männern und Frauen nach dem Liebesspiel im Gedächtnis bleibt, ist nicht der Orgasmus, sondern das, was zwischen den beiden währenddessen entstanden ist - das, was die Liebe ausmacht.

Das Spiel der Liebe
Es ist ungemein entspannend, sich ganz auf die Facetten des Liebesspiels zu konzentrieren, statt alles dem Erreichen des Orgasmus unterzuordnen. Vereinbaren Sie mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin doch einmal bewußt eine Orgasmuspause und zelebrieren Sie ein "Spiel der Liebe": Probieren Sie aus, was Ihnen Lust macht. Leben Sie Ihre sexuellen Phantasien aus. Testen Sie, welche Stellungen Ihnen gut gefallen. Lassen Sie sich Zeit, wechseln Sie vom Bett auf die Couch, machen Sie immer wieder Pausen, essen Sie genüßlich zwischendurch eine Schale Obst. Schauen Sie sich in die Augen und lassen Sie ganz bewußt Ihre Herzenergie fließen.

Dirigieren Sie Ihren Partner so, dass er Sie bis kurz vor den Höhepunkt bringt und lassen Sie die Erregung dann wieder abklingen. Sie werden feststellen, dass Sie die sexuelle Energie wesentlich intensiver wahrnehmen und über lange Zeit auf einen hohen Level behalten können. Die Erregung, die ansonsten schnurstracks auf den Orgasmus zusteuert, kann sich im gesamten Körper ausbreiten, ihn beleben oder sich sogar in Herzenergie umwandeln. Und wenn dann doch ein Orgasmus kommt? Dann freuen Sie sich darüber, denn alles, was wiederum zu Leistungsdruck führt, ist kontraproduktiv.

Interessante Erfahrung für Männer
Gerade für Männer ist der bewußte Verzicht auf einen Höhepunkt eine interessante Erfahrung, da sie in der Regel bei jedem Koitus ohne Probleme einen Orgasmus erreichen können.

Sie lernen ihre eigene Erregungsamplitude besser kennen (wo ist mein "Point of no Return"), sie erfahren, wie angenehm sich Pausen anfühlen, sie können sich der Lust ihrer Partnerin intensiver widmen, sie werden die mit der fehlenden Orgasmusfixierung einhergehenden Entspannung schätzen lernen und - last but not least - sie halten einen höheren sexuellen Spannungszustand (hilfreich vor allem bei Männern jenseits der 50). Außerdem ist Selbstdisziplinierung ein zentrales männliches Attribut.

Erlebnissex und Orgasmussex
Eine andere Möglichkeit, die Orgasmusfixierung zu umgehen, hat die Autorin Anne West in Ihrem hervoragenden Buch "Absolut Sex" beschrieben. Sie plädoyiert dafür, den Geschlechtsakt gedanklich in drei Teile zu trennen: Spielsex, Erlebnissex und Orgasmussex. Als Spielsex ist das Vorspiel gemeint. Erlebnissex sind Stellungen, die Spaß machen, aber nicht zwingend zum Orgasmus führen. Orgasmussex dagegen führt ohne Umschweife zum Ziel. Hier ist allerdings der Orgasmus der Frau gemeint, weil diese nur zum Höhepunkt kommt, wenn die Klitoris direkt stimuliert wird, was bei normalen Geschlechtsverkehr wegen der denkbar ungünstigen Anordnung der Geschlechtsorgane nicht der Fall ist. Orgasmussex sind alle Sexpraktiken, die einen klitoralen Höhepunkt verschaffen.

Mehr Initimität zulassen
Wir möchten Sie dazu einladen, mehr Intimität, mehr Nähe, mehr Liebe in Ihrer gemeinsamen Sexualtität zuzulassen. Die meisten Menschen haben beim Koitus die Augen geschlossen und sind mehr bei sich, als beim Partner - der Geschlechtsverkehr ist meist weniger intim, als z.B. ein Gespräch über sexuelle Phantasien. Nutzen Sie die Orgasmuspause, um Ihren Partner in seiner Lust zu sehen, zeigen Sie Ihre eigene Erregung, seien Sie romantisch, seien Sie wild, weiten Sie Grenzen aus. Der Sex ist immer dann gut, wenn er Ihnen Freude und Kraft gibt - wenn er sie ihnen nimmt, dann ist das ein Signal für Sie zu schauen, was Sie verändern sollten.

Bildquelle: Jens Bredehorn / pixelio.de