Traditionelles Tantra vs. Westliches Tantra
Die Ursprünge des Tantra (Tantra = Sanskrit für „Gewebe, Kontinuum, Zusammenhang“) sind wahrscheinlich so alt wie die menschliche Rasse. Es entwickelte sich aus frühgeschichtlichen matriarchalischen Kulturen mit einer natürlichen Verbindung von Spiritualität und Sexualität. Die Sexualkraft wurde als göttliche Lebenskraft rituell zelebriert und gefeiert.
Im Laufe der Jahrhunderte entstanden vor allem in Indien zahlreiche Strömungen und Traditionen des Tantra, die in den Hinduismus, in den Jainismus und schließlich auch in den späten Buddhismus des Vajrayana eindrang.
Das Ziel der tantrischen Lehren, deren Geheimlehren in sogenannten "Tantras" niedergeschrieben wurden, ist die Verbindung mit dem Göttlichen, einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen und göttliche Energie durch den menschlichen Körper zu kanalisieren. Tantra verwendet Rituale, um Körper, Seele, Geist, Emotionen, Willen und Geist in eine perfekte Einheit zu integrieren.
Tantra lehrt die Existenz von Chakren und Kundalini-Energie und fördert Yoga und okkulte Rituale. Der Tantrismus ist eine der wenigen spirituellen Lehren, die die Kraft der sexuellen Energie für den Weg der Selbsterkenntnis nutzt.
Was ist westliches Tantra?
Erste tantrische Vorstellungen und Praktiken erreichten den Westen Anfang des vorigen Jahrhunderts. Der britische Richter John Woodroffe übersetzte unter seinen Pseudonym Arthur Avalon tantrische Texte und veröffentlichte sie in diversen Büchern. Auch okkultistische Kreise wie die Theosophische Gesellschaft, der Entwickler des gleichnamigen Tarot-Decks Aleister Crowley, Freimaurer und Rosenkreuzer übernahmen einige tantrische Ideen. Allerdings führte dies zu einem verhängnisvollen Wörtlichnehmen der Texte, statt sie vorurteilsfrei und dem Geist der Tantras gerecht werdend zu interpretieren. So entstanden viele Vorurteile, die die tiefe Symbolik außen vor ließen.
Den größten Einfluss darauf, was heute in der westlichen Welt unter Tantra verstanden wird, hatte Anfang der 1970er Jahre der indische Philosoph Bhagwan Shree Rajneesh (später „Osho“ genannt). propagierte unter dem Begriff Neo-Tantra eine Verbindung von Spiritualität und Sexualität als eine zeitgemäße Form von Tantra. Dabei verband er östliche und westliche Elemente mit gruppentherapeutischen Konzepten und Theorien von Wilhelm Reich. Hinzu kommen Einflüsse von Yoga, psychosomatische Ansätze und Körpertherapie. Tantra im Westen war bis zum Beginn der 2000er-Jahre fasst ausschließlich vom Neotantra beeinflusst.
In den letzten Jahren gibt es immer mehr Tantralehrer und Tantraschulen, die ein westliches Tantra entwickeln, dass sich zunehmend vom Neotantra Oshos abnabelt. Es gibt dabei (noch) keine einheitlichen Konzepte sondern gemeinsame Ansätze, die die Lehren des traditionellen Tantra mit westlicher Kultur und Therapieformen verknüpft.
Unser Ansatz
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben wir uns mit diversen Therapieformen, spirituellen Wegen und Methoden der Selbsterkenntnis befasst. Die tiefsten Eindrücke hinterleißen dabei diverse tantrische Schulen vom traditionellen Tantra bis zum Neotantra. Wir würdigen die grundlegenden Einsichten und Weisheiten des traditionellen Tantra, wissen aber auch, dass es wenig Sinn macht, jahrhunderte alte Methoden aus einer uns fremden Region eins zu eins in unserer westlichen Kultur zu übernehmen. Wir würdigen auch die Pionierleistung von Osho, den Tantrismus den westlichen Menschen zugänglich gemacht zu haben und viele hervorragende körperbezogene Meditationen entwickelt zu haben. Ansonsten ist uns die Oshobewegung eher fremd.
Wir suchen stattdessen einen eigenen Weg des westlichen Tantrismus, der sich vom traditionellen Tantra leiten lässt, ihn jedoch mit unserer eigenen Kultur verbindet und mit westlichen Methoden ergänzt.
Ethische Verhaltensrichtlinien für Tantralehrer/innen des Westlichen Tantra
Tantra-Lehrer stehen in einer besonderen Vertrauensbeziehung zu ihren Schülern. Durch die Einbeziehung von körperbezogenen Methoden und der Sexualenergie muss ein Tantra-Lehrer ständig die Reinheit seiner Absicht überprüfen und sicherstellen, dass er/sie Tantra und die Rolle des Lehrers nicht für persönliche Zwecke und sexuellen Gewinn benutzt. Zudem liegt es in seiner primäre Verantwortung einen sicheren Energieraums zu schaffen. Die Tantralehrer der nachfolgenden Seminare fühlen sich diesen Verhaltsregeln verpflichtet.
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